Artikel in 2 Teilen -Neuköllner Rathausnachrichten 31.August und 2.November  2002
Multimediacafés in allen Neuköllner Jugendeinrichtungen?
Teil 1: Zeitgemäße Jugendarbeit oder rausgeschmissenes Geld?
 

Teil 2.. was passiert in Zukunft ? -  Lösen kommerzielle Varianten von Internetcafés die Medienangebote in Jugendeinrichtungen ab? -  Vier Varianten von Internetcafés -


Multimediacafés in allen Neuköllner Jugendeinrichtungen !

Teil 1: Zeitgemäße Jugendarbeit für die Informationsgesellschaft oder rausgeschmissenes Geld?

Seit 1998 hat sich Neukölln als erste Kommune in Europa auf den Weg gemacht, alle kommunalen Kinder- und Jugendeinrichtungen flächendeckend mit Multimediarechnern und Internetzugängen auszustatten. Auch Einrichtungen freier Träger zogen im Bezirk schnell nach. Nun stehen inNeuköllner Kinder- Jugendfreizeiteinrichtungen an über 25 Standorten um die 200 Internet und Spielerrechner Kindern und Jugendlichen zur Verfügung. Internetcafés, besser Multimediacafés sind also ein fester Bestandteil der Kinder- und Jugendarbeit in Neukölln geworden.

Die einzelnen Einrichtungen mit ihren Multimediacafés und Internet-Infopoints finden sich unterhttp://www.neukoelln-jugend.de

Recht früh haben sich damit die Verantwortlichen in Neukölln dagegen ausgesprochen,Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen zur „medienfreien Schutzzone“ zu erklären.

Die Gründe sind vielfältig: 

1. Bedürfnisse von  Kindern- und Jugendlichen aufgreifen!

Wir wissen, dass Medien aus der Lebenswelt der Kinder- und Jugendlichen weder weg zu denken noch weg zu diskutieren sind. Eine repräsentative Freizeitstudie , in der über 1000 Neuköllner Jugendliche zwischen 12 und 18 befragt wurden,hatte 1998 das enorme Interessean Computerangeboten in der Freizeit zutage gebracht. Die Besucherbefragung der Neuköllner Jugendeinrichtungen 2001 hat bestätigt, dass das Multimediaangebot in den Jugendclubs mit Abstand das Highlight in den Einrichtungen ist. Steigender PC-Besitz in den Familien und günstige Internetangebote kommerzieller Anbieter ändern weniger als erwartet an der hohen Nachfrage nach Multimediaangeboten in den Einrichtungen. Allerdings steigen Erwartungen der Jugendlichen an die pädagogische und technische Qualität. Und dies wiederum erfordert notwendigerweise auch personellen Mitteleinsatz.

2. Chancengleichheit fördern! – Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen!

In Neukölln, insbesondere in der Altstadt gibt es viele kinderreiche Familien, aber auch Familien die von Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfe betroffen sind. Diese Familien haben oft ein zu knappes Haushaltsbudget, um sich einen PC- und Internetzugang zu leisten. In der Informationsgesellschaft ist die Fähigkeit, mit Computer- und Internet umzugehen so wichtig, wie lesen und schreiben. In den Neuköllner Multimediacafés der Jugendförderung können Jugendliche selbständig und spielerisch und bei Bedarf auch mit gezielter Unterstützung durch pädagogische Fachkräfte technische, gestalterische und organisatorischen Medienkompetenz erwerben. 

Alle Jugendlichen können sich über das Internet preisgünstig (eventuell auch mittels ehrenamtlicher Arbeit kostenfrei)Jugendinformationen aus den Freizeit-Bereichen Sport, Spiel und Kultur erschließen.Gleichzeitig bietet das Internet eine Fülle von Beratungsangeboten zu den Themenbereichen Gesundheit und Soziales, Job und Arbeit sowie jugendgerechte Chats. Auf diese Angebote weisen wir die Jugendlichen hin. Internet und eine kommunikative Café-Atmosphäre in den Jugendclubs fördern die Kontaktaufnahme zwischen Jugendlichen beim gemeinsamen Umgang mit dem Computer oder durch die Teilnahme an Chat-Kanälen, Jugendforen und E-Mail.Lernsoftware und Internet unterstützen bei schulischen Problemen. Diese neuen Medien sind von großem Nutzen für eigenständige Bildungsinteressen jenseits des schulischen Bereichs (Programmierung, Netzwerktechnik, Sachthemen aller Art).

Die Mitarbeiter/innen sorgen für Fairness beim Zugang zu den Geräten. Nicht der Stärkste oder Ältere regiert, Nutzungslisten steuern den Zugang und im zweifelsfalle greifen die Mitarbeiter/innen ein. Anfängliche Wartezeiten beim Zugang zu den Rechnern wurden inzwischen durch die Vielzahl der nun zur Verfügung stehenden Rechner (6 bis 12 Rechner pro Einrichtung) weitgehend entschärft.

Um Chancengleichheitund Medienkompetenz ernsthaft zu fördern, darf man Kinder- und Jugendliche sich nicht völlig selbst überlassen. Honorarkräfte und festangestellte Mitarbeiter/innen geben in vielen Jugendeinrichtungen Anregungen, neben Chat, E-Mail und Spielen auch andere Nutzungsmöglichkeiten des Computers kennen zu lernen. 

Medienprojekte, Wettbewerbe, Internetrallyes, Berlinweite Webspiele und Themenchats, Computerführerscheine, Musik-, Foto-, Grafik- und Internetkurse, Spielturniere, technische Tipps und attraktive Lern- und Edutainmentsoftware fördern die Kenntnisse über die Anwendungsbreite des Medium Computer erheblich. Dies ist insbesondere für Hauptschüler/innen wichtig, da diese häufig nur eine geringe Zahl an Anwendungsmöglichkeiten(Spiele, Chat, E-Mail) kennen. 

Ein deutliches Defizit, das es nach wie vor anzugleichen gilt,zeigt sich in den Daten des letzten Jahres hinsichtlich der Mediennutzung von Hauptschüler/innen und Gymnasiasten/innen. Ein Beispiel: 49 % der Hauptschüler/innen gegenüber 74 % der Gymnasiasten/innen nutzen im Jahre 2001 das Internet. (http://www.mpfs.de )

Die jährlichen repräsentativen Studien des „Medienpädagogischen Forschungsverband Südwest“ über das Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen im Bereich der Neuen Medien (JIM und KIM – Jugend/Kinder und Multimedia) zeigen darüber hinaus, dassim Jahre 2001 Mädchen zwischen 12 und 19 Jahren zu 59% das Internet nutzten, Jungen bereits zu 67 %. Der Rückstand der Mädchen ist also immer noch nicht ausgeglichen. In Neukölln gibt es daher in allen Jugendeinrichtungen den Auftrag, Mädchen ganz besonders aufmerksam zu unterstützen. In der Donaustrasse 88a wurde vor kurzem das Mädchenzentrum Szenenwechsel (http://www.szenenwechsel.net )

zum Medienkompetenzzentrum für den ganzen Jugendbereich des Bezirks ernannt. Der überbezirkliche Themen-Schwerpunkt liegt in der Mädchenarbeit. Im Szenenwechselwurde in den letzten 4 Jahren ein großer Erfahrungsschatz gebildet, wie Mädchen beim Erwerb von Medienkompetenz unterstützt werden können.

3. Jugendschutz

Internet und Computerspiele verbergen eine Reihe von Gefahren für Kinder- und Jugendliche. Diesist leider nie ganz auszuschließen. Aber ähnlich, wie unsere mobile Gesellschaft den Gefahren des Straßenverkehrs nicht durch ein generelles Fahrverbot begegnet, sondern diese durch Regeln und Verkehrserziehung so gering wie möglich hält, versuchen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Jugendeinrichtungen die Gefährdungen der Informationsgesellschaft gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen in den Griff zu bekommen. Dazu stellen sie mit den Jugendlichen Regeln für die Computer- und Internetnutzung auf. Bei uns ist der Aufruf von rassistischen, sexistischen, gewaltverherrlichenden Seiten nicht erlaubt. Wenn Kinder versehentlich auf solche unangenehmen Seiten geraten, greifen unsere Mitarbeiter/innen ein. Wenn Kinder und Jugendliche unangenehmes entdecken, sind sie sich nicht sich selbst überlassen. Unsere Mitarbeiter achten auf Suchtverhalten (übermäßige Nutzungsdauer) und auf die physische Verfassung der Kinder. Sie können im Ernstfall gegensteuern. Am sinnvollsten ist es, wenn monotonen Anwendungsarten, wie allzu einfachen Spielen, aktiv die Vielfalt von Multimedia gestützten Aktivitäten oder unsere klassischen Freizeitangebote (Musik, Spiel, Sport, Kultur) entgegengesetzt werden Kinder und Jugendliche werden von uns zur produktiven Medienarbeit angeleitet. Dies geschieht zum Beispiel durch Computerprojekte wie dem Herstellen eigener Internetseiten, Webzeitungen, Computermusic, Videoclips und die Organisation von Wettbewerben.

Im Rahmen der monatlichen Qualitätszirkel„Multimedia“und der Arbeitsgemeinschaft Medien in Neukölln verbessern wir kontinuierlich unserer medienpädagogische Arbeit und tauschen uns über Probleme und neue Möglichkeiten der Medientechnik und Arbeit aus. Wer in das Thema tiefer einsteigen möchte, dem empfehlen wir unsere Linkliste im Internet mit medienpädagogischen Materialien:
http://www.neukoelln-jugend.de/projekt/medpaed.html

4. Integration der Cafés in die klassische offene Jugendarbeit

Ein überragender Pluspunkt ist, dass unsere Multimediaangebote in Einrichtungen der klassischen Jugendarbeit eingebettet sind. Problematischen Anwendungsverhalten (Suchttendenzen u.ä.)kann so durch eine breite Palette an attraktiven Sport, Spiel, Kultur und Kreativangeboten entgegengewirkt werden.

5. Selbstorganisation und Peer-Leraning:Wichtig , aber nicht immer ganz einfach!

In unseren Multimediacafés werden Kinder und Jugendliche dazu angehalten, ihre Angelegenheiten selbst zu organisieren und sich gegenseitig zu helfen. Wir organisieren Projekte, die das Lenen von Gleichaltrigen fördern. Dies geschieht insbesondere durch Methoden und Projekte,die Team und Gruppenarbeit voraussetzen. Dies passiert schlicht und einfach durch die Ermutigung, sich bei Problemen an andere Jugendliche und Kinder zu wenden, die über die entsprechende Sachkenntnis verfügen. Nach einer gewissen Anschubzeit klappt das in der Regel automatisch ohne weitere pädagogische Intervention.

Es ist der Jugendförderung Neukölln ein großes Anliegen, möglichst vielen jungen Menschen erste Arbeitserfahrungen zu bieten. Gleichzeitig profitieren wir vom hohen Medienwissen junger Leute und ihrer Lebendigkeit.Die Berliner Haushaltssituation und schwierige verwaltungsrechtliche Rahmenbedingungen erschweren dies, trotzdem ist es uns bisher gelungen, im Multimediabereich viele jugendliche Helfer/innen auf Honorarbasis anzustellen, die den technischen und organisatorischen Teildes Multimediabetriebs abwickeln. Im Laufe der letzten vier Jahre haben sich so einige Talente herauskristallisiert, die nicht nur technisch und organisatorisch sondern auch pädagogisch das Gruppengeschehen leiten können. 

6. Lan-Partys und Ballerspiele? Bad Games – Good Games?

Ältere Jugendliche können durch ehrenamtliche Aktivitäten die Öffnungszeiten des Multimediabereichs erheblich erweitern bis hin zur selbstorganisierten Öffnung des Bereichs an Wochenenden oder der Durchführung von sogenannten Lan-Partys. Dies sind Partys bei denen auf möglichst vielen Rechnern Netzwerk-Spiele miteinander und gegeneinander gespielt werden. Lan-Partys sind zu 95% ein Interessensfeld von jungen Männern, Mädchen sind die Ausnahme. In machen Einrichtungen lassen wir dieses Stück Jugendkultur, besser gesagt. Jungen-Kultur zu, wenn die positiven Effekte überwiegen.So wiegen die Motivation sich Kenntnisse über Hardware, Software und Netzwerktechnik anzueignen, die Bereitschaft zu ehrenamtlichen Engagement und der Erwerb von Organisations Know-How den von männlichen Jugendlichen bevorzugten Einsatz von etwas bedenklichen Ballerspielen auf. Mit solchen selbstorganisierten Events gehen in der Regel soziale Diskussionen und Absprachen zwischen Jugendlichen und Pädagogen/innen einher. Wenn wir überzeugt sind, dass bei den „LANern“die sportliche Leidenschaft überwiegt und Ballern eher Nebensache ist (Wer ist der schnellste?, Wer kennt alle Kombinationsmöglichkeiten, Tricks, Wege und Ecken des Spiels am besten?), lassen wir - oberflächlich betrachtet - etwas martialisch wirkende Spiele zu besonderen Anlässen zu. Am besten ist, wenn sich Pädagogen/innen oder Eltern mal selbst vor die Spiele setzen und nicht nur zuschauen. In diesem Fall wird man schnell entdecken, worin der Reiz und die Lernchancen bestimmter Spiele liegt. 

Sinnvoll ist es, wenn Eltern und Betreuer/innen attraktive-Spiele kennen, die reizvoll sind, aber keine bedenkliche Botschaft beinhalten. Ein aktuelles Beispiel: Das im Auftrag des Schweizer Gesundheitsministeriums programmierte Ballerspiel „Smoke Attack“. Zu finden ist es unter der Seite http://www.rauchen-schadet.ch

Empfehlendwerte Spiele und Lernsoftware für die Jüngern finden sich unter http://www.feibel.com .Spielbeurteilungen finden sich auf der Datenbank „Search&Play“ der Bundeszentrale für politische Bildung unter dem Link: http://www.bpb.de/snp/

Teil 2: Und in Zukunft?

Es gibt inzwischen genügend preiswerte kommerzielle Internet- und Spielecafés, wozu braucht es da noch Medienangebote in Jugendeinrichtungen?

Das Modellprojekt „Digitale Kinder- und Jugendstadt Neukölln“ – „Multimedia in allen Kinder- und Jugendeinrichtungen“ läuft nun seit 4 Jahren. In Internetjahren (mit sieben multipliziert), ist das eine enorme Zeitspanne. Inzwischen haben viele Haushalte Computer und Internetanschluss. Für diejenigen, die kein Internet zuhause haben, stehen inzwischen zahlreiche kommerzielle und teilweise sogar preiswerte Internetcafés und Spielecafés zur Verfügung. Sollten Jugendclubs sich also in Zukunft nicht mit anderen Dingen befassen und das Feld Medienerziehung den Technikprofis und der Selbstorganisation des Marktes überlassen? 

Stärken kommerzieller Internet- und Spielecafés

Kommerzielle Mediencafés verfügen in der Regel über einen hohen technischen Standard. Sie sind manchmal rund um die Uhr geöffnet. Vor vier Jahren, als das Modellprojekt in Neukölln, seinen Anfang nahm, waren die Preise der kommerziellen Anbieter noch enorm hoch (zwischen 5 DM und 14 DM pro Stunde).Auf dem Sektor „Internetzugang für Alle“ hat sich einiges getan. Es gibt sehr unterschiedliche Varianten von Internet- und Spielecafés. Doch in Bezug auf Kinder und Jugendliche sind alle der folgenden Varianten nicht unproblematisch.

Variante 1: Preiswerte Riesen-Internetcafés

Seite Ende 2000 gibt es in Berlin sehr preiswerte kommerzielle Varianten. In der Regel handelt es sich um internationale Internetcafe´ Unternehmensketten. Dort gibt es zwischen 100 und 400Internetterminals. Attraktiv sind hier Öffnungszeiten rund um die Uhr und Stundenkosten von ca. 1 €. Dies entspricht dem Preis, den 18jährige als Kostenbeteiligung auch in öffentlichen Einrichtungen zahlen müssen. Es gibt allerdings keinen Kindertarif wie bei uns (ab 25 Cent die Stunde) und nicht die Möglichkeit, sich den Zugang durch ehrenamtliche Arbeit kostenlos zu erwerben.
Das Ambiente dieser Riesen-Internetcafés hat den Charme von Waschsalons. Dies mag man mögen oder nicht: Geschmackssache! Die Rechner stehen Reihe für Reihe eng aneinander. Mit Glück findet man einen Kaffeeautomaten der für leibliche Bedürfnisse sorgt. Das Personal besteht in der Regel aus Security-, Technikangestellten und Reinigungskräften. Insgesamt wirken diese Großcafés in der Regelfriedlich, transparent und durch das Vorherrschen von Automaten (Bezahlungsautomat, Kaffeeautomat, Benutzungsanleitungen auf der Bildschirmoberfläche) auch weitgehend ideologiefrei. Dieses friedliche Ambiente und moderate Preise sind vermutlich der Grund für einen hohen Anteil an Frauen und Mädchen unter den Kunden.Der Nachteil für Kinder- und Jugendliche besteht allerdings gerade in jener „Ideologie-Freiheit“. Niemand interveniert bei problematischen Seitenaufrufen aus dem Internet. Die Anwender/innen sind auf sich selbst gestellt und müssen sehen, wie sie zurecht kommen. Es gibt niemanden, der dort Kinder und Jugendliche zu produktiver Medienarbeit motiviert und im Hinblick auf geeignete Jugendinformationen berät. Vielleicht schaltet sich bei problematischen Inhalten der Tischnachbar oder die Tischnachbarin ein, aber dies ist eher die Ausnahme. Trotzdem - das Gefühl von Anonymität in der Masse scheint vielen Jugendlichen zu gefallen. Dies zeigen ja auch andere Großveranstaltungen. Insgesamt sind diese Cafés sicher nicht problematischer als der private Internetzugang zu Hause. Und sie bieten immerhin eine geringe Chance zur Kommunikation.

Variante2: Surfen – Saufen – Zocken - Chatten! – Die digitale Spelunke

Es gibt tatsächlich kombinierte Internet- und Spielcafés, die mit diesem Slogan immer noch werben. In einer Variante der „digitalen Spelunke“ trägt der Getränkekonsum erheblich zum Gewinn bei. 

In einer abgewandelten Variante lässt das Motto „surfen, zocken, chatten“ aus pädagogischer Sicht nichts Gutes für Kinder- und Jugendliche vermuten. Eine Studie von Stiftung Warentest in Berlin (Juli 2000) zeigte auf, dass in der Hälfte der kommerziellen Cafés 16jährige Tester ohne Probleme an Alkohol, indizierte gewalttätige Spiele, die für unter 18jährige tabu sein sollten und jugendgefährdende Internetseiten herankamen. Der Jugendschutz wurde kaum beachtet. Häufig zeichnen sich diese digitalen Schmuddelkneipen durch eine düstere Atmosphäre aus. Mädchen sind die Ausnahme. Betituliert werden diese Läden auch als „Game-Zone“ oder noch richtiger als „Boy-Zone“.Gelegentlich sieht man bereits vor der Türe eine Gruppe Jungen und keine weibliche Person würde es wagen, hier einen Fuß über die Schwelle zu setzen. Gespielt wird bis der Joystick qualmt. Es handelt sich sicher um die digitale Version der Spielhalle ... oder gar „Spielehölle.“

Die dritte Variante der digitalen Spelunke ist das „Erotik-Center für Arme“. Hier erfreuen sich junge Männer an Bildern nackter Mädchen á la „letzte Reihe ganz oben...im Bahnhofskiosk“. Dieser Typus scheint allerdings eine geringere Rolle zu spielen, denn Schmuddelkram wird lieber zu Hause mit Kumpels unter viel Gejohle oder alleine und „schön anonym“ im Internet betrachtet. 

Manche digitalen Spelunken vereinigen auch alle drei Aspekte. Es wäre sicher angebracht hier ähnliche Auflagen anzustreben und Kontrollen durchzuführen wie in klassischen Spielhallen.

Variante 3: Surfen und Sushi – Der Yuppie-Schuppen

Die Edel-Variante: Manchmal weiß man nicht, ob die Gastronomie oder das Internet im Vordergrund stehen. Der Name drückt aus, dass man sich hier um ein städtisches Yuppie-Publikum bemüht (Young Urban Professionells). Das Ambiente ist bei diesem Typus sehr schick, oft futuristisch gestylt. Dies alles hat seinenPreis und ob hier die Betreuung am Terminal gesichert ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Cafés mit hohem Betreuungsaufwand, guter Lage und freundlichem Ambiente müssen zwangsläufig hohe Stundenpreise nehmen. Diese auf dem Berliner Markt zu realisieren, ist zur Zeit schwierig. Jüngste Pleiten in diesem Segment zeigen dies.

Variante 4: Computerschule mit angeschlossenem Cafébetrieb

Mehr Schule als Café werden hier Kurse zu unterschiedlichen Anwendungsprogrammen durchgeführt und manchmal ist ein kleiner Cafébetrieb angeschlossen oder ein Internetzugang für die Nachbarschaft möglich. 
Das Problem sind hier unregelmäßige Öffnungszeiten und der Preis. Die Kurse kosten ab DM 15 pro Stunde und sind somit für viele Kinder- und Jugendliche zu teuer. Die Kurse sind häufig sehr verschult und wenig auf Freizeitinteressen Jugendlicher ausgerichtet.

Fazit:

Variante 1 bis 4 der kommerziellen Internet- und Spielcafés zeigen unserer Meinung, dass Kinder und Jugendliche doch ganz gut in unserenKinder- Jugendfreizeitzentren aufgehoben sind. Hier wird mit medienpädagogischen Wissen und dem gesamten Repertoire der offenen Jugendarbeit Medienkompetenz vermittelt.

Internetcafés müssen Geld verdienen und haben dadurch zwangsläufig andere Ziele als Jugendeinrichtungen. Bei einigen Varianten insbesondere der „Digitalen Spelunke“ sollte überlegt werden, das Spielhallengesetz anzuwenden. Hingegen halten wir die Variante 1 -Riesen-Café mit Internet-Terminals - für relativ unbedenklich. Allerdings fördert diese Art von Treffpunkt nicht unbedingt die Medienkompetenz. Ein Tipp:Eltern sollten sich in ihrem Kiez mal umschauen, was in den Computer- und Internet-Treffs so los ist.

Knackpunkt der Multimediacafés in Neuköllner Kinder- und Jugendeinrichtungen --- Nicht immer funktioniert die Technik.Es gibt manchmal Wartezeiten und unserer Einrichtungen schließen in der Regel zwischen 21 und 22 Uhr. Die Sicherung der Anzahl und der Qualität unserer Multimediatreffpunkte in den Kinder- und Jugendeinrichtungen hat leider auch mit Personalressourcen und Personalentwicklung zu tun. Dies alles benötigt Profis und wäre – jedenfalls nicht allein – durch Selbstorganisation undfreiwillige Helfer zu bewerkstelligen.

Lischke, Jugendförderung Neukoelln 

E-Mail: Team@neukoelln-jugend.de